Prof. Dr. Gerald Lüttgen, scheidender Vorsitzender des Fakultätentag Informatik, betonte zu Beginn der Veranstaltung die Bedeutung des im Juli erschienen Positionspapiers des Wissenschaftsrats zu Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem: „Auf seiner Grundlage werden in den kommenden Monaten auf bundes- und landespolitischer Ebene wichtige Weichenstellungen zu Reformen der Personal- und Fakultätsstrukturen getroffen werden.“ Der Vorsitzende des Dachvereins 4ING, Prof. Dr.-Ing. Sven Klinkel, erläuterte: „Herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klug zusammengeführt sind die Garanten von Innovativität, Zukunftsfähigkeit und gesellschaftlichem Fortschritt. Attraktive Rahmenbedingungen an deutschen Hochschulen zu bieten, muss das grundsätzliche Anliegen wissenschaftspolitischer und institutioneller Gestaltungsbemühungen sein.“ 

In einem hochkarätig besetzten und vom Wissenschaftsjournalisten Dr. Jan-Martin Wiarda moderierten Panel diskutierten Repräsentanten aus Wissenschaft und Hochschulpolitik über die Empfehlungen des Wissenschaftsrats. Schnell bestand Konsens, dass die deutschen Universitäten für Forschung und Lehre, junge Wissenschaffende und internationale Talente nur attraktiv blieben, wenn rasch moderne Personalstrukturen eingeführt werden. Neben strukturellen Reformen sei auch ein Kulturwandel an den Universitäten notwendig, erklärte Dr. Insa Großkraumbach, Leiterin der Abteilung Tertiäre Bildung im Wissenschaftsrat. Die Universitäten müssten mehr Flexibilität und Planbarkeit für ihre Mitarbeitenden schaffen, etwa durch mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse und den Ausbau von Personalentwicklungsmöglichkeiten. „Wir müssen weniger bewerten und mehr begleiten, insbesondere in frühen Karrierephasen“, sagte Prof. Dr. Dr. Lambert T. Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands. Der Dekan der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften an der Universität Hamburg, Prof. Dr.-Ing. Norbert Ritter, warb bei den Informatik-Fakultäten dafür, die Personalstrategieplanung ernst zu nehmen und den Transformationsprozess aktiv zu gestalten.

Ein zweites Panel beschäftigte sich mit dem Potenzial der vom Wissenschaftsrat empfohlenen Department-Struktur für die Informatik. Prof. Dr. Ir. Boudewijn Haverkort, Dekan der Fakultät für Elektrotechnik, Mathematik und Informatik an der University of Twente, berichtete über seine ausgesprochen positiven Erfahrungen mit solchen Strukturen in den Niederlanden. Prof. Dr. Hans-Ulrich Heiß, ehemaliger Vizepräsident der TU Berlin, betonte dagegen, dass das bestehende Lehrstuhl-Modell mit seinen Ressourcen für die Gewinnung von ausgezeichneten Professorinnen und Professoren hilfreich und international angesehen sei. Einigkeit bestand darin, dass in der aktuellen Haushaltslage ein ‚Zusammenrücken‘ notwendig sei und dabei ‚fachliche Silos‘ aufgelöst werden müssten. Die Einführung von Department-Strukturen dürfe nicht lediglich eine Umbenennung sein, sondern müsse fachliche Strukturen und Machtverhältnisse verändern, auch um Abhängigkeiten zu reduzieren. „Generell brauchen wir weniger Autonomie für Professorinnen und Professoren“, brachte es Haverkort auf den Punkt. „Es ist wirklich wichtig, dass alle Statusgruppen partizipieren können“, ergänzte der 4ING-Vorsitzende Klinkel.

Ein weiteres Panel widmete sich aktuellen Entwicklungen des Akkreditierungswesens. Durch die Systemakkreditierung hätten die Universitäten mehr Freiheiten bei Qualitätssicherungsmaßnahmen gewonnen. Jedoch wurde der wachsende Verwaltungsaufwand und die zunehmende Gewinnorientierung einzelner Akkreditierungsagenturen bemängelt. „Wenn wir nicht wollen, dass gewinnorientierte Agenturen die Verfahren dominieren, dann müssen wir uns selbst stärker engagieren“, appellierte Prof. Dr. Monika Bessenrodt-Weberpals, Mitglied des Akkreditierungsrats. Prof. Dr. Rüdiger Reischuk, Vizepräsident des European Quality Assurance Network for Informatics Education, plädierte für eine aktivere Rolle des Akkreditierungsrats in Europa, um den europäischen Hochschulraum durchlässiger zu gestalten. Hier mahnte der Prorektor für Studium und Lehre an der Universität Rostock, Prof. Dr. Karsten Wolf, an, die Vielfalt zu erhalten. Mit Blick auf die Zukunft wurde abschließend die Akkreditierung von Microcredentials betrachtet, an der die Industrie großes Interesse hat. Bessenrodt-Weberpals stellte die provokante Frage: „Die Hochschule der Zukunft – wird sie noch Studiengänge haben?“ Die Notwendigkeit, auch kleine Bildungseinheiten qualitätszusichern, werde künftig weiter zunehmen.

Stellungnahme des Fakultätentag Informatik zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem